Montag, 2. Dezember 2013

Aufrichtigkeit



Letzte Woche habe ich folgendes Zitat veröffentlicht:
Es gibt nur ein Mittel, um so zu sprechen und zu schreiben, daß man niemals aus der Mode kommen kann: man muß aufrichtig sprechen und schreiben."
Ralph Waldo Emerson, "Von der Schönheit des Guten



Daraufhin kamen viele Reaktionen und Nachrichten. Der Zuspruch hat mich gefreut und so habe ich angefangen, mir Gedanken zu machen:
Was berührt mich bei diesem Zitat so? Aufrichtigkeit! 

Doch was ist Aufrichtigkeit genau?



Laut Wikipedia bedeutet Aufrichtigkeit der „eigenen, inneren Überzeugung ohne Verstellung Ausdruck zu geben“. Sie  zählt auch zu einer der sieben Tugenden des Bushido (nein, ich meine nicht den Rapper). Bushido ist der Verhaltenskodex und die Philosophie der Samurai. Doch nicht nur bei dem japanischen Militäradel wird die Aufrichtigkeit geschätzt, sie ist auch eine der preußischen Tugenden.

Aufrichtigkeit richtet auf –innerlich wie äußerlich. Wenn ich mir das Wort langsam auf der Zunge zergehen lasse, auf – richten und es nachspüre, dann verändert sich meine Haltung. Ich richte mich auf. Das bedeutet mehr Standfestigkeit, verbunden mit der Erde – aber auch mehr Streckung in Richtung Himmel. Die Schultern gehen leicht nach hinten unten, der Brustkorb öffnet sich. Ich gehe in Verbindung zu mir – zu meinem Herzen, zu meinem inneren Wissen. 

Wenn ich in Kontakt mit meinen Gefühlen bin, werde ich auch die Gefühle des anderen sehen und respektieren. Ich lerne sie zu achten und habe damit Achtung vor jedem Menschen, gleichgültig, was er darstellt oder ist. Indem ich den anderen achte, verdient er meine Aufrichtigkeit und meine Ehrlichkeit. Genau so wie ich seine verdiene. Aufrichtigkeit bedeutet aber auch nicht „Ja“ zu sagen, wenn ich „nein“ sagen will.
Man kann sich nicht sein Leben lang selbst etwas vormachen und dann danach leben. Das ist eine Stresssituation, die krank macht. Man empfindet schließlich  keine Glücksgefühle mehr.
Das Leben wird schwer und traurig. Damit aber kann der Körper sein inneres Gleichgewicht nicht aufrechterhalten. Der Aufbau der Immunglobuline lässt nach, man wird anfälliger für Krankheiten. Deshalb ist es so wichtig seiner inneren Stimme zu folgen und aufrichtig zu seinen eigenen Gefühlen zu sein. Es hält  gesund und macht das Leben einfacher und leichter.

Wie oft ist man aus Höflichkeit unaufrichtig!  Man will  den anderen nicht verletzen und sagen, reden oder tun, was er möchte.
Ehrlich und klar auszusprechen, was ich empfinde und möchte, ist zwar im ersten Moment schwerer. Doch der andere fühlt sich danach besser, weil er spürt, dass er es mir wert ist, dass ich ehrlich und aufrichtig zu ihm bin und nicht nur oberflächlich höflich zu ihm war. Beiden geht es danach besser und das Band zwischen beiden ist stärker als bei reiner Höflichkeit. 

Die Stimme transportiert die Gefühle nach außen und der Gesprächspartner spürt, wie man zu ihm steht. Wenn ich das Gespräch achtsam beginne, wird man das nicht nur aus meinen Worten hören und an meinem Gesicht ablesen, sondern auch in der Stimme wahrnehmen. Es ergibt sich ein  homogenes Bild, die Grundlage für jedes Vertrauen. Menschen schätzen es, wenn man ihnen aufrichtig begegnet.

Zum Schluß noch eine kleine Geschichte: 

Die Stimme der Aufrichtigkeit


Ein Herrscher aus alten Zeiten grübelte über die Fragen des Lebens nach. Weil ihn das Wesen von Gut und Böse beschäftigte, befahl er seinem Diener, die Organe zu bringen, die am besten, schönsten und wertvollsten seien. Der Diener brachte Herz und Zunge eines Tieres. Der Herrscher betrachtete die Organe, dachte über deren Sinn nach und schickte den Diener nun, die hässlichsten und schlechtesten Organe zu holen. Der ging und brachte wiederum ein Herz und eine Zunge. Erstaunt fragte der Herrscher seinen Diener: "Du bringst Herz und Zunge als die besten Organe, aber auch gleichzeitig als die schlechtesten, wie kommt das?" Der Diener antwortete bescheiden: Wenn das, was ein Mensch fühlt und denkt, offen von Herzen kommt und die Zunge nur Wahres sagt, sind Herz und Zunge die wertvollsten Organe. Der Mensch, dem sie gehören, fühlt sich gesund und glücklich. Wenn aber das Herz zu einer Mördergrube wurde, die Wünsche verleugnet und die Zunge Unwahres und Falsches sagt, sind beide Organe die reine Strafe für den Menschen, dem sie gehören. Die Zwietracht, die er nach außen sät, erfüllt auch sein Inneres und das Glück hat sich von ihm gewandt.

Quelle: Nossrat Peseschkian, Der nackte Kaiser

Veronika Krytzner 

Bild: Radka Schöne/pixelio


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