Montag, 26. August 2013

Ist Stimme nicht wunderbar? Meine Stimmgeschichte



Bevor ich die Spiele eröffne und tolle Geschichten von faszinierenden Menschen präsentiere, erzähle ich meine persönliche Stimmgeschichte.  




Mit Anfang 20 befand ich mich in der Ausbildung zur Logopädin. Zu der Ausbildung gehörte u.a. Stimmbildung und Sprecherziehung. Anfangs zählten diese beiden Fächer nicht meine Lieblingsstunden. Atemübungen und richtige Aussprache und Betonung langweilten mich. Entspannungstraining? Autogenes Training, Phantasiereisen oder Progressive Muskelrelaxation? Langweilig. In meinen Gedanken hüpfte ich lieber von einer Party zur nächsten. 

Alles änderte sich – als wir zu den Stimmübungen gelangten. Meine Stimmdozentin stellte uns begeistert eine Stimmmethode vor. Dazu gehörten Tonbandaufnahmen, auf denen man den Begründer dieser Methode hörte.
Diese Stimme!!!! Ich war hellwach – elektrisiert. Mein Herz ging auf -  mein Verstand ging aus. Die Stimme ließ mich in andere Welten gleiten. Unsanft holte mich die Stimmdozentin zurück ins graue Klassenzimmer: „ Veronika, wie waren die Übungen aufgebaut? Kannst du die erste Übung bitte vormachen?“ Röte stieg mir ins Gesicht. Übungen? Ich habe nichts mitbekommen, ich habe nur den Klang der Stimme genossen.

Eines hatte ich in dieser Stunde beschlossen: den Mann mit dieser unglaublich warmen starken Stimme muss ich kennenlernen. Also entschied ich mein externes Praktikum dort zu verbringen. Praktikumsplätze in dieser Klinik waren heiß begehrt. In diesem Fall war die Warteliste auf einen Praktikumsplatz länger als meine Ausbildungszeit. Ich telefonierte viel mit der Klinik und fragte oft nach. Mittlerweile war mein Name dort schon bekannt. Meiner Stimmdozentin erzählte ich von meinem Traum bei Prof.Dr.Dr. mein Praktikum zu absolvieren. Meine Neugierde und meine Hartnäckigkeit überzeugte sie. Sie half mir und so bekam ich einen dieser  begehrten Praktikumsplätze. 

Überglücklich fieberte ich dem Moment entgegen, wo ich diesem Mann endlich gegenüberstand. Es war ein langer Flur in einer Klinik – da tauchte eine Gruppe von Männer und Frauen auf. Die leitende Logopädin sagte dann, der Mann in der Mitte – das ist er. Wie? Was? DAS – ist der Mann? Der Mann, der mir weiche Knie verursacht? Der Mann, dessen Stimme mein Herz berührt? Der Mann, den ich unbedingt kennenlernen wollte? Nein, er war nicht jung, groß, breitschultrig mit starken Armen – er war alt, klein, mit Bauch und wenig Haaren auf den Kopf. Ich war zutiefst enttäuscht.

Mein Praktikum begann  und ich habe jeden Moment genossen. Es war so unglaublich, so faszinierend, diesen Mann bei seiner Arbeit zu beobachten. Sein präzises geschultes Gehör, seine Kompetenz, seine Sensibilität, seine Leidenschaft für Stimme und für die Menschen, seine Wärme und seine Menschlichkeit. Es war anders als ich es mir in meiner Phantasie ausgemalt habe und doch war es eine der schönsten Erfahrungen in meinem Leben. Ich habe einen ganz besonderen Menschen kennengelernt. 

„Sprich, damit ich dich sehe“ sagte schon Sokrates. In der Stimme hörte man einen ganz besonderen Menschen und  den habe ich kennengelernt. Ein großartiger Lehrmeister – seine Stimme klingt immer noch in mir. Seit dieser Begegnung liebe ich Stimmen und ich lausche ihnen so gerne, denn oft sehe ich durch die Stimme die wahre Person. Oft spüre ich durch die Stimme den Schmerz, die Angst, die Verwundbarkeit, die Stärke, die Liebe, die Begeisterung…..Ist Stimme nicht wunderbar?


Veronika Krytzner

Bild:  Rainer Sturm  / pixelio.de

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