Bevor ich die Spiele eröffne und tolle Geschichten von
faszinierenden Menschen präsentiere, erzähle ich meine persönliche
Stimmgeschichte.
Mit Anfang 20 befand ich mich in der Ausbildung zur
Logopädin. Zu der Ausbildung gehörte u.a. Stimmbildung und Sprecherziehung.
Anfangs zählten diese beiden Fächer nicht meine Lieblingsstunden. Atemübungen und
richtige Aussprache und Betonung langweilten mich. Entspannungstraining?
Autogenes Training, Phantasiereisen oder Progressive Muskelrelaxation?
Langweilig. In meinen Gedanken hüpfte ich lieber von einer Party zur nächsten.
Alles änderte sich – als wir zu den Stimmübungen gelangten.
Meine Stimmdozentin stellte uns begeistert eine Stimmmethode vor. Dazu
gehörten Tonbandaufnahmen, auf denen man den Begründer dieser Methode hörte.
Diese Stimme!!!! Ich war hellwach – elektrisiert. Mein Herz
ging auf - mein Verstand ging aus. Die
Stimme ließ mich in andere Welten gleiten. Unsanft holte mich die Stimmdozentin
zurück ins graue Klassenzimmer: „ Veronika, wie waren die Übungen aufgebaut?
Kannst du die erste Übung bitte vormachen?“ Röte stieg mir ins Gesicht.
Übungen? Ich habe nichts mitbekommen, ich habe nur den Klang der Stimme
genossen.
Eines hatte ich in dieser Stunde beschlossen: den Mann mit
dieser unglaublich warmen starken Stimme muss ich kennenlernen. Also entschied
ich mein externes Praktikum dort zu verbringen. Praktikumsplätze in dieser
Klinik waren heiß begehrt. In diesem Fall war die Warteliste auf einen
Praktikumsplatz länger als meine Ausbildungszeit. Ich telefonierte viel mit der
Klinik und fragte oft nach. Mittlerweile war mein Name dort schon bekannt. Meiner
Stimmdozentin erzählte ich von meinem Traum bei Prof.Dr.Dr. mein Praktikum zu
absolvieren. Meine Neugierde und meine Hartnäckigkeit überzeugte sie. Sie half
mir und so bekam ich einen dieser begehrten
Praktikumsplätze.
Überglücklich fieberte ich dem Moment entgegen, wo ich
diesem Mann endlich gegenüberstand. Es war ein langer Flur in einer Klinik – da
tauchte eine Gruppe von Männer und Frauen auf. Die leitende Logopädin sagte
dann, der Mann in der Mitte – das ist er. Wie? Was? DAS – ist der Mann? Der
Mann, der mir weiche Knie verursacht? Der Mann, dessen Stimme mein Herz
berührt? Der Mann, den ich unbedingt kennenlernen wollte? Nein, er war nicht jung,
groß, breitschultrig mit starken Armen – er war alt, klein, mit Bauch und wenig
Haaren auf den Kopf. Ich war zutiefst enttäuscht.
Mein Praktikum begann
und ich habe jeden Moment genossen. Es war so unglaublich, so
faszinierend, diesen Mann bei seiner Arbeit zu beobachten. Sein präzises
geschultes Gehör, seine Kompetenz, seine Sensibilität, seine Leidenschaft für
Stimme und für die Menschen, seine Wärme und seine Menschlichkeit. Es war
anders als ich es mir in meiner Phantasie ausgemalt habe und doch war es eine der
schönsten Erfahrungen in meinem Leben. Ich habe einen ganz besonderen Menschen
kennengelernt.
„Sprich, damit ich dich sehe“ sagte schon Sokrates. In der
Stimme hörte man einen ganz besonderen Menschen und den habe ich kennengelernt. Ein
großartiger Lehrmeister – seine Stimme klingt immer noch in mir. Seit dieser
Begegnung liebe ich Stimmen und ich lausche ihnen so gerne, denn oft sehe ich
durch die Stimme die wahre Person. Oft spüre ich durch die Stimme den
Schmerz, die Angst, die Verwundbarkeit, die Stärke, die Liebe, die Begeisterung…..Ist
Stimme nicht wunderbar?
Veronika Krytzner
Bild: Rainer Sturm / pixelio.de
Bild: Rainer Sturm / pixelio.de
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